Fotos: Rita Palanikumar für Sweet Home
«Weniger ist mehr» liest man auf Dorothée Vogels Website zu ihrem neuen Projekt «Rock the Archive». Dabei handelt es sich um einen Personal Service, bei dem sie Frauen beim Zusammenstellen ihrer Garderobe hilft. Das gleiche Prinzip, nämlich die Reduktion aufs Wichtigste und auf die echten Werte, setzt die Modedesignerin auch in ihrem brandneuen, urbanen Zuhause um. Im gerade erst entstandenen Quartier Bülachguss hat sie einen Ort gefunden, an dem sie Wohnen und Arbeiten auf spannende Weise zusammenbringen und gleichzeitig trennen kann.
Wir kennen uns schon lange, und ich erinnere mich, dass Dorothée früher oft davon geschwärmt hat, dass sie gerne in einem Hotel leben würde, weil dies viel Freiheit und Internationalität bietet. Diese beiden Attribute, die ihr beim Wohnen wichtig sind, verbinden sich auch in ihrem neuen Zuhause, das sie erst im November bezogen hat. «Es könnte überall sein, denn es strahlt die typische Urbanität aus, die man mit den grossen Städten dieser Welt verbindet.» erklärt die Designerin ihre Wahl.
Die grosszügig geschnittene Dreizimmerwohnung mit zwei Bädern und offener Küche befindet sich weit oben und bietet eine fantastische Weitsicht in die flache, ausgedehnte Umgebung bis zu den Alpen. Diese Weite hat sie angezogen. Aufgewachsen ist sie in der Nähe, in Dachsen. «Jedes Mal, wenn ich durch diese Gegend fahre und meine Familie besuche, fühle ich die Liebe zu dieser Landschaft.»
Was die Designerin sonst noch in diese Wohnung geführt hat, ist die neutrale Wohnsituation, die viel mit dem neu geschaffenen Quartier, das nicht wirklich an eine Ortschaft gebunden ist, zu tun hat. «Hier fühle ich mich ohne Zwang und vogelfrei», lacht sie. Eingerichtet hat sie die Wohnung mit Lieblingsstücken, die lose und mit viel Grosszügigkeit nebeneinanderstehen. «Mein Zuhause habe ich schon immer als eine Art Atelier gesehen», erklärt Dorothée ihren Zugang zum Einrichten «so bietet meine Wohnung Platz für Neues und lässt viel Bewegungsfreiheit.»
«Ich brauche keine kuschlige Gemütlichkeit, sondern Weitsicht und Urbanität»
Dorothée Vogel
Wenn man reinkommt, spürt man sofort die Offenheit und das Neue der Wohnung. Das Licht strahlt durch die Wolken in die Räume an diesem Montagmorgen unseres Besuchs, nicht sehr lange vor der grossen Corona-Krise. Überall sind Fenster. Das kleinere, vor dem gerade ein portabler Kleiderständer steht, führt auf einen grossen Balkon, den man nach Lust und Bedarf mit Glas oder Vorhängen schliessen kann.
Er ist natürlich noch nicht eingerichtet, denn dafür wohnt Dorothée noch nicht lange genug hier, und der Frühling hat sich bis anhin noch nicht so richtig angemeldet. Vor dem grossen Aussichtsfenster stehen kleine Hocker. «Ich liebe Tabourettli viel mehr als Stühle mit Lehnen. Da kann ich schneller absitzen und aufstehen, und sie geben erst noch gute Beistelltische ab.» Das elegante Begrüssungsmöbel ist eine Eigenkreation der Designerin, entstanden aus einem grossen Schneidetisch.
Gefertigt hat es ihr treuer Kunsthandwerker-Freund, mit dem Sie schon seit Beginn ihrer Modekarriere zusammenarbeitet: Godi Hartmann ist nicht nur ein Schreiner, sondern ein kreativer Kopf, der Dorothée Vogel bei allen Ladeneinrichtungen und Ateliers geholfen hat. «Die beige Tischplatte ist eigentlich ein Turnhallenboden und eignet sich gut als Zuschneidetisch für Kleider. Man kann Stecknadeln reinstecken, und er ist sehr robust» erklärt die Modefrau das schöne Material.
Einer der Tische wurde nicht mehr als solcher gebraucht, und so ist aus ihm diese elegante Kommode entstanden. Das Innenleben ist pink lackiert und so konzipiert, dass es ein Ablagefach für Kleines wie Schlüssel, Laptop, Aufladegeräte und Kabel bietet. Letztere versorgt die ordnungsliebende Modedesignerin hübsch und kokett in Chanel-Beuteln. Die untere Schublade bietet den Handtaschen ein Zuhause. Über dem Möbel an der Wand hängen Kunstobjekte ihrer Cousine, der Künstlerin Eva Bärtschinger. Darauf stehen und liegen Bilder und Bücher, welche die Designerin gerade besonders inspirieren.
Das hübsche kleine Kommödchen gehört einer Freundin und ist erst mal auf Besuch, bis die neu eingezogene Bewohnerin ein bisschen genauer weiss, was sie noch an Möbeln braucht und möchte. Sie zeigt uns Zeichnungen, die sie von einem Regal gemacht hat, das sie gerne produzieren lassen möchte. Ein bisschen nach dem System der Regale, bei denen Backsteine und Bretter zusammenkommen, bloss dass sie statt Backsteinen Spiegelkuben einsetzen möchte. Der Prototyp eines solchen Spiegelsteins steht schon mal in Warteposition auf dem Kommödchen, zusammen mit einer Vase aus Muranoglas von Dieter Keller aus Luzern.
Das Sofa hat Dorothée Vogel für diese Wohnung neu gekauft. Das Vintagestück erstand sie in ihrem Lieblingsmöbelgeschäft Individum in Zürich. «Dort gehe ich gerne hin, denn von Stefan bekomme ich nicht nur eine gute Designberatung, sondern auch die besten Restauranttipps und feine Rezeptideen.» Sie liebt es, hier am Abend zu lesen. Für diese Lesestunden liegen bereits ein paar Bücher auf kleinen Hockern bereit, die als unkomplizierte Beistelltischchen dastehen.
Auch auf dem grossen Saarinen-Tisch liegen Zeitschriften und Bücher offen, als Inspiration und wie liebe Freunde, die schöne und spannende Geschichten erzählen. «Die beiden Fotos sind von der Fotografin Marianne Müller. Sie hat sie bei ihrem Stipendiumsaufenthalt in Amerika gemacht. Dorothée liebt die Fotos, weil Sie auch den Himmel zeigen:
«So habe ich zweimal den Himmel, den vom Fenster und den in den Fotos.»
Dorothée Vogel
Und natürlich kokettiert das Fotomotiv mit dem Namen ihrer Firma: «Le Freak c’est chic». Diesen hat sie gewählt, weil ihre Mode Chic und Eleganz mit einem gewissen gewagten Twist verbindet. Berühmt ist sie unter anderem für wunderschön geschnittene Mäntel und Jacken, die immer sitzen und die man ein Leben lang gerne anzieht. Auch entwirft sie viele kunstvolle Stoffe selbst und macht damit ihre Mode noch einzigartiger.
Dorothée Vogel präsentiert ihre Kollektionen in einem Salon Privé, einem Direktverkauf von Designerin zu Kundin. Dank diesem nahen Kontakt weiss die Designerin genau, wer was liebt und zu wem was am besten passt. Ihre Kleider sind denn auch besondere Lieblingsstücke, die man lange tragen kann. Der Erfolg, den sie mit diesem nachhaltigen Konzept hat, zeigt, dass Mode sehr persönlich geworden ist und dass das Bedürfnis gross ist, Kleider mehrmals, lange und immer wieder anders zu tragen. Das hat sie dazu bewegt, Kundinnen auch umfänglicher zu beraten, mit ihnen die Garderobe genauer anzuschauen und ihnen Ergänzungsstücke und Kombinationsmöglichkeiten zu empfehlen.
«Manche meiner Kundinnen brauchen auf einmal andere Kleider, weil Sie einen neuen Job haben, in dem sie mehr repräsentieren müssen, andere möchten gerne wissen, wie sie die Stücke in ihrem Kleiderschrank gut kombinieren können.» So nennt sie ihren Service «Rock the Archive», denn sie geht von dem Bestehenden aus, zeigt die Möglichkeiten auf und hilft, da zu ergänzen, wo es nötig ist.
Das Arbeitszimmer in der Wohnung dient auch als Nähatelier. Ihr Studio und Büro befinden sich in der gleichen Überbauung, aber in einem anderen Haus, in einem Co-Working-Space.
«Ich kann am Morgen zur Arbeit gehen, auch wenn der Weg bloss um die Hausecke führt.»
Dorothée Vogel
Atelierstimmung vermittelt auch das Schlafzimmer der Designerin. Statt eines Schranks hat Sie ein grosses Industrieregal über eine ganze Wand eingesetzt. Hier ist alles drin. Sie hat sich beim Umzug nur auf das Wesentliche besonnen und alle ihre Sachen so reduziert, dass Sie nur noch das hat, was sie auch mag und braucht. Auf diesem Regal befinden sich ebenfalls ihre Bücher. Sie hat nur noch die Lieblingsbücher behalten und diese alphabetisch geordnet. Der Bettüberwurf ist ein Patchwork-Strick aus verschiedenen Stücken, die ihre Mutter und Grossmutter gestrickt haben.
Auch Accessoires, Schmuck und andere kleine Sachen sind ordentlich verstaut in gut beschrifteten Boxen. Die Kleider an den Bügeln hängen hinter einem eleganten, handgenähten grauen Samtvorhang.
Licht gibt die Lieblingslampe, ein Prachtstück von Fornasetti, einem der Lieblingsdesigner von Dorothée Vogel.
Das Boudoirtischchen ist eher so was wie ein kleiner Altar für Lieblingsstücke. Darauf sind Bücher, Bilder, Kleider, Fundstücke, ein Parfüm, ein Foto von ihrem Liebsten, der Trompete spielt, Dinge aus dem Leben.
Die offene Küche hat Dorothée Vogel ergänzt mit einem Regal, welches sie bereits hatte, aber den neuen Raummassen anpassen liess. Es ist ein modernes Buffet im entspannten Studiostil, den Dorothée mag. Hier ist Platz für das Lieblingsgeschirr von Fornasetti, das Dorothée in Italien gefunden hat, dem Land, in dem sie viel und gerne ist, nicht nur für ihre Arbeit, sondern auch auf privaten Reisen.
Klar, dass nicht nur frisches italienisches Gemüse und Früchte vom Markt ihren Platz auf dem Küchenmöbel haben, sondern auch Zeitschriften, Magazine, Ausstellungskataloge, Einladungen und eine Bordkarte von Los Angeles.
Im gleichen Milchkaffeeton wie die Buffetplatte stehen zwei hübsche, drehbare Hocker da. Wir sind begeistert und fragten nach. Dorothée erklärte, dass sie von Ikea sind und sie die Hocker einfach kürzen und lackieren liess.
Das Küchenfenster schaut in den Innenhof, in dem sich erst zaghaft die ersten grünen Knospen zeigen. Dorothées Wohnung ist in der zweitobersten Etage. Diese bot gemäss ihrer Beschreibung die schönere Sicht, denn sie wollte nicht auf die Dächer schauen, sondern die urbane Architektur aus einer attraktiveren Perspektive geniessen. Zu den Wohnhäusern gehören auch Kinderkrippen, eine Musikschule, ein grosser Supermarkt und ein Co-Working-Space.
In diesen hat sich die Designerin eingemietet. Auch hier mag sie die urbane, neutrale und grosszügige Architektur. In den anderen Räumen befinden sich unter anderem Studios und Büros für Grafik, Architektur, Yoga, Design oder Treuhand. Es gibt eine gemeinsame Küche und Sitzungszimmer.
Im Atelier stehen die gleichen Hocker wie in der Küche. Zwei davon zeigen sich am hohen Schneidetisch in der vollen Grösse, aber ebenfalls in der gleichen Farbe lackiert wie die in der Wohnung. Der Schneidetisch ist so wie jener, aus dem die Modedesignerin die Kommode im Eingang ihrer Wohnung machen liess. Der Tisch hat eine Zwischenablage und ein zweckadaptiertes Eiermanngestell.
Mit ihrem neuen Zuhause und Atelier hat Dorothée Vogel einen Ort gefunden, der ihr genau die Räumlichkeiten bietet, die sie gerne hat und braucht und an dem sie sich auf das konzentrieren kann, was sie am meisten liebt, nämlich Leben, Wohnen, Arbeiten und Mode so zu verbinden, wie sie es am liebsten mag: frei, unabhängig und persönlich.
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