Heimkommen und zu Hause sein ist Erholung, Rückzug, Glück. Klar, da sind die schmutzigen Gummistiefel im Entree, die Bücher- und Zeitungsstapel auf dem Tisch oder die Lampe, die dringend einen neuen Schirm braucht. Aber sind es nicht gerade diese Dinge, die echtes Zuhausegefühl vermitteln? Wohnungen, die so perfekt sind, dass Besucher nur in den Socken reindürfen, in denen die Bücher nach Farben geordnet sind, wenn es überhaupt welche hat, und einen alles in ach so harmonischer Abstimmung begrüsst, denen fehlt die echte Wärme. Man wähnt sich eher in einem real gewordenen Instagram-Leben oder in einer Hotel-Lounge. Ich bin davon überzeugt, dass Schönheit viel zum Glück beiträgt. Doch Schönheit ist nicht gleich Perfektion. Gut ist meist gut genug. (Bild links: La Maison Jolie, Bild rechts: Cattime)
Rein damit
Irgendwie geht es bei den Regalen auf einmal um Styling und nicht mehr um die Heimat von Büchern. Ah ja, es haben nicht mehr alle Bücher, und einige, die noch ein paar Bücher haben, ordnen sie nach Farbe. Zugegeben: Als ich zum ersten Mal auf Regale stiess, die Bücherreihen farblich sortiert zeigten, habe ich sie auch auf diesem Blog gepostet. Solche Ideen sind gut, wenn es um ein gestyltes Bild geht, um eine Ausstellung an einer Messe oder um ein Schaufenster. Im echten Leben sind aber der Inhalt der Bücher, die Erinnerung an die Zeit, in der man ein bestimmtes Buch zehnmal gelesen hat, und die Lust, in seinen Büchern zu schmökern, wichtiger als die Farbe des Umschlags.
Und dann sind da noch die Dinge, die auch irgendwohin müssen. Die Fotos von den besten Ferien ever oder das Schälchen, das man einfach liebt, aber eigentlich nichts Besonderes ist. Also – einfach rein damit. Sonst sieht ihr Bücherregal schnell mal so aus wie eine Werbung für ein Regal. (Bild über: Domino)
Hier gibt es was zu tun
Es gibt Wohnungen, bei denen alle Möbel ein Label haben, die einzige Blume eine getrocknete Hortensie ist und nichts, aber gar nichts da ist, nur Status. Nein, ich spreche nicht von einem Krimi und beschreibe auch keinen Showroom, ich war in solchen Wohnungen. Man sitzt auf einem superteuren Sofa und weiss, dass die Eigentumswohnung entsprechend viel gekostet hat – aber es hat nichts: keine Kissen, keine Farben, keine Zeitschriften. Ich habe keine Ahnung, was die Menschen, die so leben, zu Hause machen.
Ich schreibe diesen Blog nach einem Besuch bei meinem Vater, der nun auf einmal alleine wohnt, weil meine Mutter krankheitshalber in ein Pflegeheim musste. Die Wohnung meiner Eltern habe ich schon ein paar Mal hier beschrieben, sie ist modern, lebendig und nie ganz fertig eingerichtet. Beide legten bei vielem selber Hand an. Die Schubladen und Regale sind nicht nur voll mit Büchern, Schallplatten und hübschen Dingen, sondern auch mit Bändern, Stricknadeln, Farbstiften, Malsachen, Fäden, Garnen, Papieren, die Liste ist endlos. Ich holte ein paar Dinge, die den Alltag meiner Mutter im Pflegeheim verschönern werden, und Dinge, die sie in die Hand nehmen kann, wenn auch bloss zum Sortieren oder Betrachten, denn ihre Krankheit lässt nicht mehr viel zu. Ich werde nie verstehen, dass man zu Hause nichts hat, und mich immer fehl am Platz fühlen in Wohnungen, in denen bloss teure Möbel stehen. Das Bild zeigt ein sehr gemütliches und bestimmt nicht langweiliges Airbnb in Paris.
Es braucht nicht für alles die perfekten Möbel
Diese Regel gilt sowohl für Regale wie auch für den Couchtisch, die Kommode, den Nachttisch oder die Anrichte. Lassen Sie Ihre Wohnung leben, atmen und wachsen. Nichts ist für immer, das gilt auch bei der Einrichtung. Manchmal entscheidet man sich für eine provisorische Lösung, weil man das perfekte Stück noch nicht gefunden hat oder es sich nicht leisten kann oder will. Diese spontanen Ideen sind oft genau das, was wir eigentlich wirklich wollen, was zu uns passt. Hier, auf diesem Bild des Immobilienportals Historiska Hem, stapeln sich Bücher auf einem »Very very Low Board», das eigentlich einfach ein leicht erhöhtes Brett ist. Als Couchtisch dienen auch Hocker und Pflanzen hüllen alles ein. Sehr sympathisch.
Zusammenstellen statt Total Look
Ich habe viele Wohnkataloge gestylt, die Bilder dafür geplant und damit einen persönlichen erkennbaren Look für die jeweiligen Firmen geschaffen. Leider haben die Einkäufer nie auf Möbelprogramme verzichtet. Man macht halt einfacher mehr Geld, wenn man viel vom Gleichen verkaufen kann. Aber diese Zeiten sind vorbei. Möbelprogramme sind eine Idee von früher. Wenn das Sideboard, der Couchtisch, der Tisch und die Anrichte gleich aussehen, ist das weder chic noch schön. Und schon gar nicht persönlich. Zudem kann man nie etwas dazukaufen, weil einfach nichts anderes passt. Kombinieren Sie das, was Sie haben, und ergänzen Sie mit neuen Einzelstücken. Diese müssen auch nicht neu sein, denn alte, antike Stücke tun jeder Einrichtung gut. (Bild über: The Nordroom)
Improvisieren statt verzichten
Sie haben kein Extrazimmer für ein Homeoffice, die Gäste oder zum Essen? Dann integrieren Sie es einfach so in die Einrichtung. Viele junge Eltern können auch nicht gleich in die gewünschte grosse Wohnung ziehen, wenn das erste Kind kommt. Das hat noch keine Familie unglücklich gemacht. Wenn man näher zusammenrücken muss, ist man meist glücklicher. Also improvisieren Sie. Das Arbeitspult ins Schlafzimmer, die Gäste ins Wohnzimmer und das Kind dahin, wo es je nach Bedürfnis gerade ruhig ist oder Gesellschaft hat. (Bild über: My Scandinavian Home)
Luxus entsteht mit Freude
Schönheit wird oft mit Luxus verwechselt. Das ist falsch. Vieles, was uns als Luxus verkauft wird, wirkt schnell mal vulgär. Marmorbäder, Garagen mit Spiegel, Möbel, die zu gross und schwer sind und vielerlei Funktionen eingebaut haben – das will man nicht wirklich. Machen Sie das Beste aus dem, was Sie haben. Mit ein bisschen Fantasie und dem Sinn für Komfort kann man aus allem etwas herausholen und dabei persönlich und gemütlich wohnen. Wenn der Holzhocker neben der Badewanne steht und ein Blumensträusschen darauf steht, verschönert das die Badezeit. Wenn das Extrakissen auf dem Bett oder Sofa uns bequemer liegen lässt oder ein kleines Tischchen mit zwei Stühlen in der Küche oder in einer Nische ein intimes kleines Kerzenlichtdinner möglich macht, ist das ist echter Luxus. (Bild über: SF Girl)
Feriengäste
Einrichtungen, die so statisch sind, dass man nichts verrücken kann, wirken steif und nicht einladend. Wechseln Sie ab mit kleinen Veränderungen und Anpassungen. Zum Beispiel müssen nun bald mal die Gartenstühle rein, da sich der Herbst langsam anmeldet. Nehmen Sie doch ferienhalber ein Paar in die Wohnung auf und kreieren Sie, wie hier auf dem Bild vom Blog Harmony and Design, eine gemütliche kleine Sitzecke. Das ist nicht einfach Styling fürs Auge, sondern schafft eine neue Wohnsituation, in der man auf einmal andere Dinge macht. Wie einen Apéro vor dem Dinner geniessen oder mit jemandem einen ruhigen Schwatz halten, während der Rest der Familie grad Rambazamba macht.
Einfach ablegen
Solche kleinen Ecken können auch anders und überall entstehen. Hier ist es eine kleine Leseecke, die auch Gäste einlädt, beim Ankommen abzulegen und zu entspannen. (Bild über: Covet Group)
So entstylt man eine Wohnung
Das Unperfekte ist wie eine Markierung der persönlichen Besitznahme einer Wohnung. Also das, was Räume zum Zuhause macht. Falls Sie Ihre Wohnung zu perfekt finden, versuchen Sie es mit diesen Tricks:
- Kaufen Sie Blumen vom Markt, oder stellen Sie Wiesenblumen ein (Bild über: Refinery29)
- Ein bisschen Unordnung und Dinge, die zufällig herumliegen, vermitteln Eleganz
- Lockern Sie die Einrichtung mit Vintage-Stücken auf
- Lassen Sie alten, antiken Dinge ihre Patina
- Mischen Sie unterschiedliche Stile
- Stagnieren Sie nicht, denn so wirkt eine Wohnung schnell mal verstaubt
- Machen Sie aber auch nicht jeden neuen Trend mit – Wohnen ist kein Modestatement
Credits:
Blogs und Magazine: SF Girl, Harmony and Design, Covet Group, Refinery29, My Scandinavian Home, The Nordroom, Domino, La Maison Jolie, Cattime
Immobilienagenturen: Historiska Hem
Hotels und Ferienhäuser: Airbnb in Paris
Der Beitrag Gut ist gut genug! erschien zuerst auf Sweet Home.